Freitag, 30. Dezember 2022

Ein Jahr voller Wendungen

Nicht mehr lange und auch das Jahr 2022 wird Geschichte sein. Übrig bleiben dann einzig die Erinnerungen. Höchste Zeit also, einen Blick zurückzuwerfen und seine ganz eigenen Erinnerungen festzuhalten. Das Jahr Revue passieren zu lassen und zu reflektieren.

2022 war ein Jahr voller Emotionen, aber mit vielen schönen Momenten.
In diesem Jahr hatte ich wieder so einige „Aha-Momente“ und habe viele neue Dinge gelernt.

Doch meine wohl wichtigste Lektion in 2022 lautete: Das Leben hält manchmal unerwartete Wendungen für dich bereit!
Und unerwartete Wendungen hatte ich in diesem Jahr so einige.

In welchen Momenten wachse ich am meisten? Normalerweise dann, wenn ich die Komfortzone verlasse. Ich musste mir eingestehen, dass ich Hilfe brauche und gleichzeitig hatte ich solche Angst, wieder auf einen Arzt zu treffen, der mich abwinkt. 
Die wichtigste Beziehung hat angefangen zu zerbröseln und doch haben wir das Erdbeben mit all unserer Kraft aufgehalten. 
Manchmal werden wir vor Herausforderungen gestellt, die wir uns lieber erspart hätten. Und manchmal geschehen Dinge, die noch viel größer sind als in unserer Vorstellung.

Rückblickend konnte ich mich durch diese Herausforderungen aber oft weiterentwickeln, dazu lernen und stärker werden. 

Gleichzeitig sind so viele unglaubliche Dinge passiert, die ich mir nie hätte ausmalen können. Dinge, die ich immer für „zu groß“ für mich betrachtet habe.

Eigentlich passierte mir das größte Glück, was bereits 2018 von einem Mann aus meiner Mokka Tasse vorausgesagt wurden ist.
Er sagte: meine Gesundheit wird sich enorm verschlechtern und sich, wie ein Tornado anfühlen und so war es letztendlich auch. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, es kann nicht mehr schlimmer werden. Ich weiß gar nicht, wie ich mein Gleichgewicht halten könnte, aber ich habe es geschafft.
Ich werde eine Operation brauchen und danach wird alles besser werden. Und auch das hat gestimmt.

Ich bin geheilt und mit mehr Glück kann mein Leben nicht gefüllt sein.
Es war definitiv ein Jahr, das mich mehrfach aus meiner Komfortzone geholt hat.
Ein Jahr, in dem ich bewusster meine Grenzen kennengelernt und gezogen habe.
Ein Jahr voller „Ja’s“ und gleichzeitig auch ein Jahr voller „Nein’s“.
Die Krankheit und auch meine psychische Verfassung hat mich sehr ausgebremst.
Für jemanden wie mich, der in der Vergangenheit „koste, was es wolle“ alles in hohem Tempo abgeschlossen hat, eine neue Situation.
Ich konnte beobachten, wie viele Beziehungen schöner und intensiver wurden.
Ich weiß, wo ich stehe und habe gelernt, offen kommunizieren zu dürfen.
2022 wurden auch einige Kapitel beendet.
Aber so ist das halt im Leben, nicht immer passen die Rahmenbedingung oder man kommt vor lauter Planen gar nicht ins Tun.
Akzeptanz ist der Schlüssel.

Ich habe mich dazu entschieden Dinge, hinter denen ich nicht 100 % stehe, loszulassen. Die Zeit ist sinnvoller genutzt, wenn ich das mache, wofür ich brenne. 
Ich habe erkannt, dass ich die letzten Jahre von der Ungeduld getrieben war. 
Viele Dinge gleichzeitig gemacht habe, um vermeintlich schneller vorwärtszukommen oder auch aus Angst, zu wenig zu erleben. Das war ein Trugschluss.

Jetzt möchte ich mehr Gelassenheit im Alltag leben – mehr ins Vertrauen kommen. Alles passiert genau zur richtigen Zeit und jetzt kann ich mit einem vollgelaufenen Akku starten.

Für 2023 lautet mein Jahresmotto „Nachholen“.

Ich glaube, 2022 war eines der herausforderndsten Jahre. 

Überarbeitung, Überforderung, schlechte Bewältigungsmechanismen und dunkle Zeiten sind einige Themen, die mich über das Jahr hinweg begleitet haben.

Das Schwerste daran ist vermutlich, dass man direkt mit seinen „Schwächen“ konfrontiert wird und feststellt, dass man in einigen Situationen vielleicht doch nicht so stark sein kann, wie man es sich wünschen würde.

Was mich vermutlich am meisten berührt hat, war von Menschen getäuscht und enttäuscht zu werden und es zu sehr an mich heranzulassen. Anstatt zu versuchen mich zu distanzieren und den Fokus auf die Dinge zu lenken, die mir Kraft und Halt geben, bin ich ein wenig im negativen und Schmerz versunken. Es war eine dunkle Zeit, mit wenig Schlaf, negativen Gedanken und auch mit viel Angst, dass es wieder kommen kann - mein Frechdachs.

Trotzdem habe ich aus dieser schweren Zeit auch etwas Positives mitgenommen: ich weiß nun, wie ich in Zukunft nicht mehr mit solchen Herausforderungen umgehen möchte. Ich habe gelernt, dass ich das nicht alleine durchstehen muss und darüber reden darf. Dass es okay, sich Hilfe an die Seite zu nehmen und dass es Menschen da draußen gibt, die für mich da sind. Ich habe gelernt, wie wichtig der eigene Umgang ist. Denn ich kann nicht alles um mich herum kontrollieren, aber es liegt in meiner Macht, wie ich damit umgehe und wie sehr ich die Sachen an mich heranlasse. Dank der Fürsorge der Ärzte, der positiven Einstellung und der enormen Unterstützung meines Mannes und meiner Mozzarellakugel wurden traumatische Erfahrungen für mich zu einer Inspiration zum Handeln.

Ich schätze mein Leben genauso wie es ist, auch wenn es nicht so spektakulär und groß wie bei manch anderen ist. Aber das kleinste Glück kann manchmal doch das Größte sein.

Das Jahr war schön und schwer zugleich. Aber rückblickend gehe ich gestärkt und mit neuer Hoffnung in das neue Jahr.

Jetzt schaue ich nach vorne und möchte alle Türen, ah selbst alle Fenster ganz weit aufreißen und genießen.
Ich habe endlich wieder Kraft zum Atmen.

Dies war nun also mein Jahresrückblick 2022. Jetzt bin ich aber neugierig! Was waren deine schönsten Momente in 2022? Was lief bei dir nicht wie eigentlich geplant? Und was hast du dir für das nächste Jahr vorgenommen?

Mittwoch, 12. Oktober 2022

DIE GUTE UND SCHLECHTE NACHRICHT ZUGLEICH


Meine letzten geschrieben Wörter 2021 hier waren: ,,Ich warte auf dieses Licht in meinem Tunnel und bis dahin nehme ich eine Taschenlampe mit in das Jahr 2022.''

Und um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll...
Heute vor 6 Monaten wurde mein Bauchspeicheldrüsentumor - liebevoll auch Frechdachs genannt, entfernt und seitdem brauche keine Taschenlampe mehr, den ich sehe wieder klar und deutlich.
Durch meine Krankheit fühlte sich mein Alltag, wie als wenn ich täglich durch einen Nebel gehen würde.
Im März kam es zu einem Helikopter Einsatz auf meiner Arbeit und diese Erfahrung hat mir gezeigt, so geht es nicht mehr weiter. Sich nicht mehr weiterhelfen zu wissen und so auf andere Menschen angewiesen zu sein, ist sehr demütigend. Vieles wollte ich nicht erkennen wollen, wie schlecht es mir die letzten Wochen, Monate und Jahre ergangen ist. Ich wollte mir täglich beweisen, es ist nichts Schlimmes und dann gleichzeitig von den Ärzten zu hören bekommen, dass alles nur psychosomatisch sei, hat es natürlich nicht besser gemacht. 
 
Aber fangen wir ganz von vorne an, alles begann mit einer Unterzuckerung. 
2018 könnte mein Körper plötzlich mir keinen Halt mehr geben und das Management meiner Krankheit hat mich angefangen von nun an den ganzen Tag zu begleiten. Seit diesem ersten Vorfall befand ich mich in ärztlicher Betreuung, doch kein Arzt konnte mir helfen. Es hieß immer, alles sei normal und vor allem in Ordnung. Ich bräuchte nur etwas Cola oder Traubenzucker. Nach und nach verlor ich die Kontrolle über meinen Körper. Mein Glucose Wert bewegte sich zwischen 25 und 60. Nach dem Essen senkte der Zucker gewaltig und trotz entgegenwirkender zuckerhaltigen Getränke oder anderem, stieg der Zucker nicht nach oben. Ich habe bereits bis zu dem letzten Vorfall über 3,5 Jahre mit meiner täglichen Hypoglykämie gelebt und wenn ich mich wieder getraut habe zu einem der Ärzte hinzugehen, hieß es ich wäre eine junge, überforderte Mutter. Solche Sachen passieren einfach. Es sei psychosomatisch. Irgendwann habe ich mich damit arrangiert. Ich wollte ungern als eine überempfindliche Frau dastehen und ich habe es irgendwann akzeptiert. Immer hin wurde nie etwas Körperliches gefunden außer, dass ich einen viel zu niedrigen Blutzucker hatte. Irgendwann kamen tägliche Krampfanfälle, sowie neurologische Ausfälle. Und die täglichen Botschaften von meinem Körper waren für meine Familie besonders schmerzhaft.
Gleichgewichtsstörungen, Gewichtszunahme, Migräneanfälle, Herzrasen, Konzentrationsstörungen bis hin zu Verwirrtheit. Trotzdem wurde ich immer wieder nach Hause geschickt.
 
Meine Krankheit hat sich angefühlt, wie ein mieses Korsett, in dem ich kaum atmen könnte. Und diese gab mir auch keine Alternativen. Mein erster morgendlicher Gedanke war immer:
,,meine Mozzarellakugel mit aller Kraft zu beschützen und glücklich zu machen und gleichzeitig zu erkennen, wann ich es nicht mehr kann.''
Oft erkannte ich es zu spät und mein Alltag war ein purer Überlebenskampf.
Wie oft fragte mich mein Mann, ob alles in Ordnung sei gewesen und ich log ihn an. Ich wollte nicht, dass er sich noch mehr Gedanken macht als eh schon zu diesem Zeitpunkt. Ich wollte alleine damit fertig werden, ohne andere Menschen damit unglücklich zu machen. 
Das ist ein schreckliches Gefühl. Vieles habe ich überspielt. Vieles nie ausgesprochen, wie schlecht es mir ergangen ist, damit meine Liebsten eine Verschnaufpause von den Sorgen bekommen.
Unsichtbar krank zu sein, bedeutet häufig, dass nichts in meinem Leben normal ist. Ich sah nach außen gesund aus und niemand hätte vermutet, wie es in mir drinnen ausgesehen hat.
 
Am schlimmsten fand ich, dass mein Sohn so viel zurückstecken musste. Alles hat angefangen, da war er gerade 4 Monate alt. Er hatte also nie wirklich eine gesunde Mama und das zu verarbeiten wird wohl noch eine ganze Weile dauern. Wie oft musste ich ihn ausbremsen, weil es mir wieder nicht so gut ging. Er wurde immer verständnisvoller und ich immer trauriger. Ich fühlte mich erschöpft und so überfordert, den ich wusste es ist keine psychische Ursache. In meinem Körper hat gewaltig etwas nicht gestimmt. Ich brauchte nur etwas mehr Mut, um einen Arzt zu finden, der mich endlich anhört.
Ich war seine Mutter und fühlte mich nach und nach mehr durchsichtig. 
Ich war nur noch die, die ich nicht mehr war. Eine Frau, die ich nie sein wollte!

Glücklich sein hängt von der Gesundheit ab und irgendwann habe ich das glücklich sein verlernt.

Und eins ist klar, mein Mann war eine unglaubliche Stütze, den, wenn ich die ganze Welt um mich verlor, war er der eine Punkt, an dem sich unsere Mozzarellakugel fixieren könnte.
Zu oft verlor ich die Kontrolle, und könnte keine Balance mehr finden.
Und auch als ich über 5 Wochen im Krankenhaus war, war er alles für ihn und vor allem für mich.
Ich war durchbrochen, aber ich war gleichzeitig so dankbar, dass ich genau ihn als Papa für meinen Sohn hatte.

In Heidelberg habe ich die Hilfe bekommen, die ich schon vor Jahren nötig gehabt hätte. Die Ärzte versprachen mir, mich erst nach Hause zu schicken, wenn sie sich sicher sind, was mir fehlt. Das hat mir Hoffnung gegeben. Viele Ärzte waren involviert und haben mir vernünftig erklärt, dass sie sich gar nicht bewusst sind, wie ich so lange damit leben könnte. Mein Cortisol Spiegel (das Stresshormon, was in meiner Nebenniere zu wenig produziert wird) könnte sich nicht mehr vollständig auffüllen, mein Körper hat zu diesem Zeitpunkt die Restreserven aufgebraucht und ich hatte keine Kraft mehr, um meinen Alltag selbstständig zu überstehen.
Viele Menschen sind bei mir geblieben und hielten meine Hand, als ich vor Verzweiflung ertrank. Die Gespräche waren sehr wertvoll für mich, den bis dahin war immer noch so fest in meinem Kopf - ich bin zuständig für meinen Zustand. 
Wahnsinn, dass ich so eine lange Reise auf mich nehmen musste und mit so vielen inkompetenten Ärzten in Berührung kommen musste, bis ich wirklich erhört worden bin.
 
Diese Gefühle, die seit über 3 Jahren immer mehr Platz in meinem Leben eingenommen haben. 
Wut, Angst, Verzweiflung, Demütigung, Panik, Ratlosigkeit, Unruhe, Scham, Frust und Unzufriedenheit. All diese Gefühle versuchte ich zu ignorieren. Die Frage: was stimmt mit mir nicht?! Wurde immer lauter in meinem Kopf. Mein Leben hat immer mehr an Geschwindigkeit abgenommen. Ich fühlte mich zu oft, wie eine Patientin in meinem eigenen Zuhause. 
Mein Leben mit Hypoglykämien war ein Erdbeben einer ganz besonderen Art. 
Fast 4 Jahre später endlich diese Erkenntnis: ,,Frau Fiedler, es lag nie an Ihnen. Wir werden versuchen ab jetzt Ihnen zu helfen!'' 
Und nun diese Gewissheit, dass es nicht an mir lag. Ich war nie Schuld an meinem Gesundheitszustand, trotz der Beurteilung von so vielen Ärzten. Das war mein Frechdachs. Die gute und schlechte Nachricht zugleich. Ich wurde auf das schlimmste vorbereitet und fühlte mich verloren. In dieser Zeit als ich im Krankenhaus war, war ich fremdbestimmt. Andere sagen dir, was jetzt mit deinem Leben passiert, wo du zu sein hast und welche Untersuchungen mit dir gemacht werden. Man gibt sich wirklich ab und hofft auf das Beste. 
Der Weg zu meiner Heilung war furchtbar steil. Dafür bin ich einen weiten, anstrengenden, manchmal demütigenden und oft frustrierenden Weg gegangen. Ich habe zu oft zwischen drinnen aufgegeben, alles fallen gelassen, den Kopf in den Sand gesteckt und war oft genervt, von meinem besorgten Ehemann.

Wenn ich zurückblicke, schüttelt es mich bei Sachen, die ich damals verantwortungslos gemacht habe. Ich könnte es zu damaligen Zeitpunkt nicht besser. Aber ich habe es mit der Zeit gelernt.

Nach knapp 4 Jahren, 6 Krankenhäusern und 17 Ärzten weiter, haben wir endlich die Ursache gefunden.
Eine Reise voller Emotionen geht langsam zu Ende. Das neue Kapitel darf endlich beginnen.
Ich bin bereit. Wir sind bereit!
Niemand wird dir erzählen, wie schwer es ist, ein neues Leben nach deiner Krankheit anzufangen. Wie schwer es tatsächlich wird, sich wieder hochzuziehen, nachdem du den Tiefpunkt in deinem Leben erreicht hast. Alles hat sich verändert. Die Freundschaften sowie auch die Beziehung zu meinem Mann haben sich verändert. Das Umfeld vergisst schnell. Woher sollen auch andere wissen, was diese Zeit der Krankheit mit mir gemacht hat? Ich muss lernen, besser zu kommunizieren. Ich fühle mich oft missverstanden und vielleicht ist auch dies einer der größten Probleme.
Ich mache Fortschritte jeden Tag und den letzten Wochen bin ich über mich hinausgewachsen. Ich habe begonnen, meinem Körper zu vertrauen. Je mehr ich in diese Richtung Vertrauen schenke, desto einfacher wird mein Alltag sein.
Ich habe immer noch sichtbare Baustellen. Es gibt Ecken in der Wohnung, die bringen mich in diese furchtbare Zeit zurück und ich fühle mich eingeengt. Eine Träne kullert die Wange herunter. Ich kann immer noch nicht in die Badewanne gehen, dort fand der letzte Krampfanfall statt. Sobald ich daran denke, geht meine Herzfrequenz nach oben.

Ich mag meine Narben am Bauch nicht besonders gerne, doch sie zeigen deutlich, dass mein Frechdachs meinen Körper verlassen hat.
Es braucht noch seine Zeit und ich bin, um ehrlich zu sein, kein geduldiger Mensch.
Ich versuche, es zu verstehen. Ich versuche mein Bestes, auch wenn es sich manchmal anfühlt, als würde ich rückwärts laufen.

Aber mittlerweile gibt es mehr gute als schlechte Tage.

Das besondere ist auch für mich, dass mein Geburtstag am 21 April und meine Operation am 12 April statt fand, seitdem habe ich keine Unterzuckerung mehr. Das ist ein unglaubliches Gefühl an Freiheit. Ich merke, wie ich wieder anfange nach der trockenen Zeit aufzublühen und meine Familie ist mein Wasser.
Jetzt bin ich in meiner Erholungsphase und komme langsam zu mir.
Ich genieße die Zeit. 
Nichts ist mir mehr zu viel. 
Es ist sonderbar, wieder im Gleichgewicht zu sein.
Wieder glücklich und unbeschwert zu leben, ohne diese kontinuierliche Angst.
Manchmal denke ich, dass ich träume und dann zwicke ich mich. Ich wache aber nicht auf, alles was bleibt ist ein blauer Fleck.
Ein blauer Fleck voller Glück.